Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) hat eine bislang einzigartige Datengrundlage geschaffen: Erstmals liegen für fast alle Gebäude der Welt digitale 3D-Modelle vor. Die globale Gebäudekarte soll Städte und Regionen dabei unterstützen, Klimaschutzziele zu erreichen, Risiken besser zu bewerten und den Wandel hin zu nachhaltiger, resilienter Urbanisierung datenbasiert zu steuern.
Digitale Weltkarte der Gebäude
Ausgehend von aktuellen Satellitenbildern wurden mit modernen Methoden der Fernerkundung und Künstlichen Intelligenz weltweit Gebäude erkannt, ihre Grundrisse abgeleitet und die jeweilige Gebäudehöhe abgeschätzt. Daraus entsteht ein dreidimensionales Abbild der globalen Bebauung:
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Es werden Milliarden einzelner Gebäude erfasst – von der Großstadt bis zum abgelegenen Dorf.
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Zu jedem Objekt liegen Grundriss, Höhe und Volumen vor; daraus werden standardisierte LoD1-Gebäudemodelle erzeugt.
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Die Daten besitzen eine räumliche Auflösung im Meterbereich und decken damit auch solche Regionen ab, für die bisher kaum belastbare Informationen zur Bebauungsstruktur vorlagen.
Damit entsteht eine Art „Weltkataster“ der vertikalen Stadtstruktur, das länderübergreifend vergleichbar ist – unabhängig von nationalen Standards, Erhebungsmethoden oder Verwaltungsstrukturen.
Schlüsselressource für Klimaschutz, Energie und Resilienz
Gebäude sind weltweit einer der zentralen Hebel für den Klimaschutz: Sie verursachen einen erheblichen Anteil der CO₂-Emissionen, binden aber zugleich enorme Werte in Form von Bausubstanz und Infrastruktur. Die neue Datengrundlage ermöglicht hier einen deutlich genaueren Blick:
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Klimaanpassung & Hitzeinseln
Mit der 3D-Gebäudestruktur lassen sich Überwärmungsräume, Frischluftschneisen und Verschattungswirkungen präziser analysieren. Städte können gezielt Maßnahmen wie Entsiegelung, Begrünung oder bauliche Verdichtung planen. -
Energie & Sanierung
Aus Gebäudevolumen und -dichte lassen sich Szenarien für Heiz- und Kühlenergie ableiten oder Potenziale für Photovoltaik und Dachbegrünung abschätzen – auch dort, wo keine kommunalen 3D-Stadtmodelle vorhanden sind. -
Katastrophen- und Risikomanagement
Im Fall von Überschwemmungen, Stürmen oder Erdbeben lässt sich mit der neuen Datenbasis schnell erkennen, wie viele Gebäude und Personen in einem Gebiet potenziell betroffen sind. Das erleichtert Vorsorge, Einsatzplanung und Schadensabschätzung.
Neue Kennzahlen für eine gerechtere Stadtentwicklung
Ein wesentliches Potenzial der globalen 3D-Gebäudekarte liegt in neuen Indikatoren, die über klassische Flächennutzungspläne hinausgehen. Dazu gehört zum Beispiel das Gebäudevolumen pro Einwohner:
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In dicht bebauten Armutsvierteln ist das verfügbare Gebäudevolumen pro Kopf meist sehr gering.
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In wohlhabenden Vororten oder Regionen mit viel Einfamilienhausbebauung ist es deutlich höher.
Solche Kennzahlen machen soziale und räumliche Ungleichheiten sichtbar – innerhalb einer Stadt ebenso wie im internationalen Vergleich. Kommunen, Wohnungswirtschaft und Politik erhalten damit eine belastbare Basis, um Wohnraumpolitik, Infrastrukturinvestitionen und Förderprogramme zielgenauer auszurichten.
Offene Daten für Kommunen, Forschung und Wirtschaft
Besonders wichtig: Der Datensatz wird öffentlich zugänglich gemacht. Forschungseinrichtungen, Behörden, Planungsbüros, Start-ups und etablierte Unternehmen können die Informationen in ihre Analysen und digitalen Werkzeuge integrieren – von der kommunalen Stadtplanung über Digital-Twin-Plattformen bis hin zu globalen Klimamodellen.
Mögliche Einsatzfelder:
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Ergänzung oder Vorstufe kommunaler 3D-Stadtmodelle und BIM-Strategien
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Grundlage für Smart-City-Konzepte und urbane Digital Twins
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Szenarioanalysen zu Flächenverbrauch, Nachverdichtung und Mobilität
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Marktanalysen und Standortbewertungen für Immobilien-, Energie- und Infrastruktursektor
Hintergrund
Die Erstellung einer weltweiten 3D-Gebäudekarte war bislang vor allem an zwei Hürden gescheitert: dem Mangel an konsistenten Eingangsdaten und dem hohen Rechenaufwand. Durch den Einsatz global verfügbarer Satellitendaten in Kombination mit skalierbaren KI-Verfahren kann nun erstmals eine nahezu flächendeckende, vergleichbare Gebäudestruktur bereitgestellt werden – einschließlich vieler Regionen, für die es bislang kaum belastbare bauliche Informationen gab.
Damit entsteht ein wichtiger Baustein für die Umsetzung internationaler Nachhaltigkeitsziele, insbesondere des UN-Sustainable Development Goal 11 („Nachhaltige Städte und Gemeinden“). Städte und Regionen weltweit erhalten ein Werkzeug, um den Wandel hin zu klimaneutralen, resilienten und lebenswerten Lebensräumen datenbasiert zu gestalten.
Quelle: Erstmals alle Gebäude der Welt als 3D-Modell verfügbar - TUM